Marion Sand – Ratssitzung am 20. Juni 2023
Sehr geehrte Frau Bürgermeisterin, sehr geehrte Ratsmitglieder, sehr geehrte Damen und Herren,
Wir fragen uns beim diesjährigen Haushaltsentwurf mehr als bei irgendeinem anderen Haushaltsentwurf der letzten Jahre: Wohin gehst Du, Erftstadt? Quo vadis – Erftstadt?

Die Messlatte lag natürlich für dieses Jahr erwartbar hoch: ein ausgeglichener Haushalt, das heißt. ein Ergebnis, bei dem am Ende eine schwarze Null stehen soll, war die Vorgabe. Andernfalls droht Erftstadt, in den Nothaushalt zu rutschen – mit dem einhergehenden Verlust der Finanzhoheit. Seit 2013 befindet sich Erftstadt im Haushalts-sicherungskonzept mit der Maßgabe, bis 2022 – noch mal verlängert bis 2023 – einen gesicherten Haushalt vorzulegen. In all diesen Jahren ist es kein einziges Mal gelungen, sich diesem Ziel auch nur ein bisschen anzunähern. Wenn man sich all die letzten Haushaltsentwürfe und Satzungen, und danach die Jahresabschlüsse anschaut, weisen alle Ergebnisse ein Minus in Millionenhöhe aus, während gleichzeitig blindlings darauf vertraut wurde, dass zum Stichtag dann doch noch irgendwie eine schwarze Null zustande kommt. Die CDU meint dazu lapidar: „Wir haben kein Ausgabeproblem, wir haben ein Einnahmeproblem“. Und frei nach diesem Motto wurde halt weitergewirtschaftet. Wer da nicht mitzog, dem wurde auch schon mal vorgeworfen, er übernähme keine Verantwortung für den jeweiligen Haushalt.
Das, was wir dieses Jahr nun erleben, ist dann eben die logische Konsequenz aus diesem Ausgabeproblem!
Entsprechend war das der bisher undurchsichtigste und intransparenteste Haushaltsentwurf, der in den letzten Jahren auf den Tisch kam. Dabei sollte man meinen, was lange währt, wird am Ende auch gut. Denn normalerweise werden kommunale Haushalte zum Spätherbst eingebracht, im Dezember politisch beschlossen, so dass man Planungssicherheit für das anstehende Jahr hat. Aber in Erftstadt ticken die Uhren nun mal anders. Der Haushalt kam erst im März auf den Tisch und soll heute verabschiedet werden, wir hinken ein halbes Jahr hinterher.
Dieser Haushaltsentwurf war leider auch handwerklich in vielen Punkten undurchsichtig. Vieles wurde verschleiert. So waren auch die Haushaltsplanberatungen in den Fachausschüssen mitunter wenig erhellend. Wir Stadtverordnete konnten nicht auf die Verwaltung als Partner setzen. Von der Einbringung über die Beratung bis hin zu den notwendigen Korrekturen herrschte auf Seiten der Verwaltung ziemliches Chaos. Wobei sichder Kämmererum Transparenzbemühte, muss man ehrlicherweise hinzufügen.
Nehmen wir das eklatanteste Beispiel bei dem Verwirrspiel: die Kita- und OGS-Gebühren. Um die beschworene eben erwähnte Einnahmeproblematik für den städtischen Haushalt zu verbessern, geht die Verwaltung den Bürgerinnen und Bürgern ihrer Stadt schlicht ans Portemonnaie. In ihrer Haushaltsrede hat die Bürgermeisterin also erklärt, dass sie sich gemeinsam mit dem Verwaltungsvorstand an die Vorschläge des schon vielfach erwähnten Beratungsunternehmens IMAKA gehalten hat.
Ich zitiere: „Dabei hat sich der Verwaltungsvorstand im Wesentlichen auf die Maßnahmen konzentriert, die das beauftragte Beratungsunternehmen IMAKA für die nächsten Jahre vorgeschlagen hat. Neben der Erhöhung der Rettungsdienst- und Verwaltungsgebühren müssen auch die Gebühren- und Entgeltstrukturen im KiTa-, OGS-Bereich und bei der Musikschule überarbeitet werden. Dabei geht es einerseits darum, Ertragssteigerungen zu erzielen und andererseits, strukturelle Schieflagen im Haushalt zu beheben. Beispielhaft benenne ich die Musikschulentgelte.“ (Rede Bürgeremeisterin, S.6)
Allerdings haben sich dann ab dem Moment, als die ersten Zahlen in die Öffentlichkeit gelangten, diese Grundsatzentscheidungen so schnell wieder in Luft aufgelöst, dass man mit dem Lesen der Zeitungsartikel kaum noch hinterherkam. Auf einmal wollte die Bürgermeisterin mit der Erhöhung der Gebühren nicht mehr in Verbindung gebracht werden. Ausgelöst durch einen Antrag von CDU und Grünen wurden Kitagebühren publik, die bis dahin weder der Mehrheit der Ratsvertreterinnen und Ratsvertreter, geschweige denn den Erftstädter Bürgerinnen und Bürgern bekannt waren. IMAKAs Gebührenvorschläge waren in nicht-öffentlichen Arbeitskreissitzungen zwar vorgestellt, aber ab da nicht weiter diskutiert worden – was wir, nebenbei bemerkt, angeregt hatten. Die Chance, die Gebühren in den zuständigen Gremien zu beraten, war verpasst worden. Was dann schließlich losbrach, war eine vollkommen berechtigte Welle der Empörung durch die Stadt. Ein grundsätzlicher Ansatz, den das Beratungsunternehmen mit eingebracht hatte, fiel dabei fatalerweise direkt mit unter den Tisch, nämlich die Kitagebühren sozial gerechter zu gestalten. Denn so, wie sie bis jetzt in Erftstadt erhoben werden, werden die niedrigeren Einkommensgruppen verhältnismäßig mehr zur Kasse gebeten als die höheren Einkommensgruppen.
Letzte Woche wurde dann schnell noch eine Sondersitzung des zuständigen JHA einberufen. Die Mehrheit des JHA hat die neue Beitragsstruktur der Stadt abgelehnt, während der gleichzeitig tagende Finanzausschuss im selben Atemzug diese JHA-Beschlüsse wieder einkassiert hat. Nun sollen die Familien also weiterhin eine 3%ige Beitragserhöhung zahlen, die Freigrenze wurde auf 30.000 Euro angehoben und die oberen Einkommensgruppen auf 155.000 Euro gedeckelt. Wir hatten aufgrund des vorhergehenden Durcheinanders empfohlen, im laufenden Kitajahr erst mal alles beim Alten zu belassen, um sich mit den Elternvertretern Zeit zu nehmen, die Beiträge fürs kommende Kitajahr in Ruhe zu beraten. Dem ist die Ratsmehrheit nicht gefolgt. Wir bedauern diese Blockadehaltung, denn auf Nachfrage im Ausschuss hat der Kämmerer erläutert, dass man in diesem Jahr auf eine Erhöhung und auf die neue Regelung für Zweitkinder in der OGS durchaus hätte verzichten können.
Der nächste wesentliche Einnahmeposten, der erhöht werden soll, sind die Grundsteuern. Wir Erftstädter sind ja viel Leid gewöhnt, aber von Jahr zu Jahr an diesen Stellschrauben immer weiter zu drehen, ist einfach zu trivial. Wir wissen, dass die NRW-Kommunen bundesweit die höchsten Steuersätze erheben, und wir wissen, dass Erftstadt im interkommunalen Ranking immer mit in den vorderen Rängen liegt. Jetzt ausgehend von 650 Punkten nochmal 100 Punkte anzuheben, ist schon ein ziemlicher Schluck aus der Pulle, 1,75 Millionen Euro sollten damit eingenommen werden.
Nach dem Hickhack der letzten Wochen sollen es nun ‚nur‘ noch 80 Punkte werden, das wird die Erftstädter aber wenig trösten. Dabei fällt erschwerend ins Gewicht, dass nur die privaten Haushalte zur Kasse gebeten werden. Die Grundsteuer A und die Gewerbesteuer bleiben unangetastet. Wir haben zuletzt im Finanzausschuss vorgeschlagen, wenn, dann doch bitte schön alle drei Steuerarten zu erhöhen. Somit fiele die jeweilige Erhöhung insgesamt moderater aus. Dieses sozial gerechtere Verfahren aber wurde abgelehnt, und wir wiederum lehnen eine einseitige Erhöhung der Grundsteuer B ab.
Weitere geplante Erhöhungen waren die Hundesteuer und die Friedhofsgebühren, die wieder zurückgenommen wurden.
Die Erhöhung der Musikschulgebühren hat ein ähnliches Durcheinander ausgelöst, wie die Kita- und OGS-Gebühren. Der Musikschulbeirat war nicht beteiligt worden, so dass die Vorlage mit den geänderten, übrigens ziemlich kruden neuen Beitragssätzen, nicht beschlussfähig war. Auch hier wurde eine Sondersitzung, diesmal des Musikschulbeirates, einberufen, bei dem zwar eine abgefederte Version verabschiedet wurde, aber ob der Besuch der Musikschule für die Erftstädter Familien noch attraktiv sein wird, wagen wir zu bezweifeln.
Ein großer Posten, der auf einen kommunalen Haushalt drückt, ist ohne Frage die Kreisumlage. Sie schlägt für Erftstadt in diesem Jahr mit 25,2 Millionen Euro zu Buche. Es ist also nicht verwunderlich, dass über alle Parteigrenzen hinweg die Bürgermeister der Kommunen des Rhein-Erft-Kreises eine Reduzierung gefordert haben. Der Landrat und die Mehrheitsfraktionen des Kreises von CDU, FDP und Grünen setzten sich jedoch darüber hinweg. Übrigens haben die drei Kreistagsmitglieder der Erftstädter CDU hier mit ihren Kollegen vom Kreis mitgestimmt. Da war dann die Einnahmeproblematik der heimischen Kommune, die sie ja im Kreis eigentlich mit vertreten sollten, nicht mehr so relevant. Sowas passiert übrigens öfter mal: während man im Kreis beispielsweise eine kritische Haltung gegenüber den Erweiterungsplänen der Mülldeponie mitträgt, geht man in Erftstadt mit wehenden Fahnen mit dem Betreiber mit. Verrückte Welt! Verrückt ist auch, dass unsere Bürgermeisterin die Erhöhung der Grundsteuer im direkten Zusammenhang mit der Höhe der Kreisumlage sieht. Dass ihre Parteikollegen janusköpfig mal so mal so abstimmen, scheint dabei niemanden weiter zu stören.
Bleiben wir bei den Einnahmen: dass wir seit Jahr und Tag ein strukturelles Defizit vor uns herschieben, ist allenthalben bekannt. Wie man dem substanziell begegnen kann, darauf kommen wir auch noch, keine Sorge. Was uns jedoch wenig überzeugt, ist die jetzige Methode, Kosten zu isolieren. Hierbei geht es insbesondere um Kosten, die durch die Coronapandemie und die Flut entstanden sind, zurzeit aber auch noch weitere Kosten, die durch den Ukrainekrieg die Stadtkasse belasten. Die Isolation dieser Kosten ist ein kommunaler Finanztrick, sie werden damit nicht aufgelöst, sondern lediglich in die Zukunft verschoben.
Insgesamt sind es 6,259 Millionen Euro für Flut- und Coronaschäden und weitere 3,6 Millionen Euro, die aus dem Ukrainekrieg resultieren. Diese Kosten werden als ‚außerordentliche Erträge‘ wie positive Einnahmen verbucht, müssen jedoch ab 2027 für die Dauer von 50 Jahren wieder aufgelöst werden. Wir belasten damit die kommenden Generationen um ca. 500.000 Euro pro Jahr, wie die Kämmerei schon mal vorgerechnet hat. Mit nachhaltiger Haushaltswirtschaft hat das natürlich nichts zu tun. Es rettet uns halt in diesem Jahr aus dem Nothaushalt.
Was uns auch herausrettet, nachdem hier und da an den Gebühren noch mal herumgedoktert wurde, waren zusätzliche Finanzmittel, die auf einmal unverhofft angekündigt wurden. Zum einen sind es Fördermittel vom Land, die im Zusammenhang mit ukrainischen Flüchtlingshilfen verausgabt werden und zumindest teilweise mit dem Kernhaushalt verrechnet werden können, zum anderen sind es Minderausgaben für die Kreisumlage: der LVR hat seine Umlage gesenkt, so dass Erftstadt 500.000 Euro weniger zu zahlen hat. Gleichzeitig ist die ÖPNV-Umlage um diesen Preis wieder angestiegen. Aber hierbei handelt es sich um Mehrkosten, die die Kreisbusgesellschaft, die REVG, im Zusammenhang mit höheren Energiekosten infolge des Ukrainekrieges geltend macht – und die, ja genau, wir ahnen es, können ‚isoliert‘ werden.
Unterm Strich aber bleibt es dabei:
Die Erftstädter Bürgerinnen und Bürger werden sich dieses Jahr und in den kommenden Jahren auf steigende Kosten gefasst machen müssen. Doch leider sind mit den Kostensteigerungen keine Serviceverbesserungen verbunden.
Von den steigenden Musikschulgebühren sprachen wir bereits. Auch die Bibliothek und der ÖPNV sind Beispiele für Serviceverschlechterungen: für die Bibliothek waren – übrigens auch von IMAKA – höhere Ausgaben für die Medienbestände eingefordert worden und von der Bürgermeisterin auch als nicht hinlänglich bestätigt worden. Aber diese Aussage war vom letzten Jahr, auf unsere Anfrage, warum die Ausgaben für Medienbestände in diesem und den kommenden Jahren nicht höher angesetzt werden, heißt es nun, diese seien doch auskömmlich.
Wer sich an die jahrelangen Diskussionen um den Standort einer Zentralbibliothek erinnert und dann an den radikalen Beschluss von CDU und FDP; in Lechenich im ehemaligen Kaufhaus Könen einen zweiten Standort aufzumachen, der wird sich nicht wundern, dass die überteuerten Umbaukosten jetzt auch den Kernhaushalt mit hohen Mietkosten belasten – in Zahlen: 186.450 Euro für Lechenich und 31.260 Euro für Liblar – Tendenz steigend. Oder mit anderen Worten: viel Geld bleibt dann eben nicht mehr übrig für die Aufstockung der Medienbestände.
Oder nehmen wir die Ausgaben für den ÖPNV:
Die ÖPNV-Umlage steigt und steigt: Deshalb reduzieren CDU, Grüne, FDP und Freie Wähler nun das Angebot beim On-Demand-Verkehr. Seit Anfang Juni wird nur noch ein Fahrzeug von Mobie eingesetzt. Das gut angelaufene Angebot wird dadurch stark eingeschränkt. Wartezeiten werden sich verlängern. Und das eigentliche Ziel, nämlich Menschen dazu zu bewegen, auf ihren PKW zu verzichten, wird damit konterkariert.
AuchPlanungskosten werden reduziert – von rund 900.000 auf 700.000 Euro. Gestrichen wird die zuletzt von der Verwaltung eingebrachte Diskussion über ein Leitbild der Stadt. Das zeigt, dass man lieber klein, klein weiterarbeitet und nicht gewillt oder auch nicht in der Lage ist, die vielfältigen Aufgaben unserer Stadt fächerübergreifend aufeinander abzustimmen und zu verzahnen. Die Verschiebung der Diskussion über ein Leitbild heißt in der Konsequenz also, wir wurschteln weiter wie bisher.
Im Bereich der Stadtplanung setzen CDU und ihre wechselnden Koalitionäre (mal FDP, mal Freie Wähler, in jüngster Zeit immer häufiger die Grünen) bestimmte stadtentwicklungspolitische Vorhaben durch, bei denen nicht nur wir Bauchschmerzen bekommen. Beispielsweise wurden beim Projekt der Klinik in Herrig Anliegerinteressen und Bedenken des Denkmalschutzes – auch vom LVR – schlichtweg vom Tisch gefegt.
Auch das jetzt von der BIMA – Bundesanstalt für Immobilienaufgaben – auf den Weg gebrachte Bauvorhaben für den Ville-Campus sehen wir mehr als kritisch. Die Dimensionen der Baukörper, das fragliche Entwässerungskonzept, fehlender Flächenausgleich und überdimensionierte Parkplätze am falschen Standort sind einige der kritischen Punkte. Dass die Stadt sich die Chance auf ein Vorkaufsrecht vergeben hatte, ist für uns nach wie vor nicht nachvollziehbar. Jetzt werden private Investoren und die Grundstückseigentümer die alleinigen Gewinner sein, und die Anwohner werden sich vermutlich noch wundern, was da vor ihren Augen entsteht.
Was hingegen in unserer Stadt fehlt, ist bezahlbares Wohnen.
Stadt und Ratsmehrheit tun nichts, das Wohnen in Erftstadt bezahlbar zu machen. Der von Bund und Land geförderte Wohnungsbau findet in Erftstadt nicht statt. Die letzten öffentlich geförderten Wohnungen am Dechant-Linden-Weg haben den Wohnungsmarkt nicht erreicht, sie wurden an ukrainische Kriegsflüchtlinge vergeben. Auch innovativer Wohnungsbau hat bis jetzt keine Chance. Wir hoffen, dass die Stadt wenigstens die Chance nutzt, generationenübergreifendes Wohnen im Fronhof in Liblar zu ermöglichen.
Vor zwei Tagen, am letzten Sonntag, wurde im Friesheimer Busch das 25-jähige Bestehen des Umweltnetzwerkes in Erftstadt gebührend gefeiert. Neben dem ehemaligen und dem amtierenden Landrat sprach auch unsere Bürgermeisterin einleitende Grußworte. Darin hat sie auf die dramatischen Entwicklungen des Klimawandels hingewiesen, die wir in Erftstadt mit Hitzeperioden in den letzten Sommern und vor allem der Flut im vorletzten Jahr leidvoll erfahren mussten. Zeit also, in Erftstadt jetzt und konsequent Maßnahmen zum Umwelt- und Naturschutz zu ergreifen. Allein, es ist wie so oft in der Politik und Verwaltung: an Beteuerungen mangelt es nicht, aber wenn es konkret wird, wird’s halt dann doch nicht gemacht.
- Wir kritisieren, dass
- beim inzwischen auf unfassbare 75 Millionen Euro angestiegenen Sanierungspaket für Schulzentrum Lechenich auf die konsequente energetische Sanierung verzichtet wird – Trakt D wurde aus dem Maßnahmenpaket herausgenommen
- Wir kritisieren, dass
die Installation von Photovoltaik auf städtischen Dächern in den letzten Jahren keinen Schritt vorangekommen ist und auch im vorliegenden Haushalt – freundlich formuliert – minimalistisch angesetzt ist. Wenn wir, wie nach einem FDP-Antrag beschlossen, in 2040 klimaneutral sein wollen, sollten wir so langsam mal die Beine in die Hand nehmen. Das Land legt viele Förderprogramme auf, auf die wir zurückgreifen könnten. Die von uns angesprochene Photovoltaik auf städtischen Flächen in der Stadt, zum Beispiel zur Parkplatzüberdachung, wird nicht angepackt. Angeblich sei dies zu aufwendig.
- Wir kritisieren, dass
konkrete Anträge und Anregungen zur Beseitigung der Schottergärten abgelehnt werden, ebenso eine kommunale Förderung der Dach- und Wandbegrünungen.
- Wir kritisieren, dass
Landschaftsschutz und Gesundheitsschutz bei der Zustimmung zur Vergrößerung des VZEK ausgehebelt wurden. 700 Bürgereingaben, die eine klare Sprache des Entsetzens sprechen, werden von der Mehrheit der Erftstädter Politik schlicht ignoriert.
- Wir kritisieren, dass
seit Jahren das Radverkehrsnetz sträflich vernachlässigt wird. Die Erftstädter Radwege, so denn überhaupt vorhanden, sind die reinsten Buckelpisten. Der dringend erforderliche Ausbau des Radweges entlang der Bliesheimer Straße in Liblar wurde jetzt sogar aus dem Masterplan Liblar gestrichen.
Der Masterplan Lechenich, der dringend erforderliche Maßnahmen zum Schutz der Radfahrer und Fußgänger vor allem auch im Zentrum vorsah, ist aufgrund immer neuer, von der CDU veranlassten Verzögerungen auf die lange Bank geschoben. Und das Förderprogramm ist inzwischen ausgelaufen.
Seit Jahren warten Radfahrer auf sicherere Abstellplätze für ihre Fahrräder am Bahnhof. Es grenzt schon ans Absurde, wie oft dort Ortstermine stattfanden mit anschließenden politischen Debatten. Passiert ist nichts.
- Und insbesondere kritisieren wir
die Zerschlagung der Energiegesellschaft – just in dem Moment, in dem die Stadt kurz vor Abschluss eines lukrativen Geschäftes mit einem Windparkbetreiber steht.
Wie es hier weitergehen kann, steht jetzt erst mal offen. Das sind fatale Signale nach außen.
Auf der anderen Seite der Medaille stehen nichtsdestotrotz Investitionen, die nicht nur ins Geld gehen, sondern auch entscheidend in die Entwicklung der Stadt eingreifen. Gemeint ist die geplante Gründung einer AöR – Anstalt des öffentlichen Rechts – für die bereits Beratungskosten in Höhe von 125.000 Euro angefallen sind, und für dieses Jahr weitere 150.000 Euro bereitgestellt werden sollen.
Wir lehnen die Gründung einer AöR nach wie vor ab. Wir lehnen ab, angesichts einer prekären Haushaltssituation dafür so viel Geld in die Hand zu nehmen. Wir lehnen eine AöR aber auch ab, weil wir befürchten, dass bestimmte, wesentliche städtische Entwicklungsbereiche der Kontrolle des Rates entzogen werden. Wenn die Cashcow des Immobilienbetriebes, nämlich Bodenbevorratung und -Entwicklung in diese AöR eingebunden werden soll, befürchten wir vor allem intransparente Immobiliengeschäfte, die vielleicht privaten Investoren Geld in die Taschen spülen, aber der Stadt wenig bringen. Wir befürchten auch, dass die aufgelöste Energiegesellschaft genau dorthin verortet wird, und die Gewinne, die Windparks und Solaranlagen einbringen, zuerst innerhalb der AöR gegen Verluste verrechnet werden, bevor die Gewinne dem Stadthaushalt zugutekommen – oder eben auch nicht. Das sind unsere Befürchtungen, und wir denken, diese sind aus jahrelangen Erfahrungen in Erftstadt nicht unberechtigt.
Zu all unseren kritischen Anmerkungen könnten wir noch hinzufügen, dass der Stellenplan weit hinter dem zurückbleibt, was an Bedarfen ermittelt worden war. Im Gegenteil finden wir, dass es keine glückliche Entscheidung ist, dass ausgerechnet im Büro der Bürgermeisterin zwei zusätzliche Vollzeitstellen eingerichtet werden, wofür gar kein Bedarf ermittelt wurde. Oder dass das technische Dezernat und auch die Kämmerei nach wie vor an allen Ecken und Enden personell unterbesetzt sind und der Stellenplan dafür nur inadäquate Erweiterungen vorsieht.
Wohin die Reise mit dem Brandschutzbedarfsplan geht, erschließt sich uns derzeit leider auch nicht. Auch das Missmanagement bei der Gebührenerfassung im Rettungsdienst, dass die Stadt über die Jahre hinweg Schäden in Millionenhöhe eingebracht hat, sind erstaunliche Tatbestände.
Und trotzdem denken wir, dass unsere Stadt andere Potentiale entfalten könnte.
Eines wäre zuvorderst ins Auge zu fassen, sich mit der Stadtgesellschaft gemeinsam auf den Weg zu machen und ein Leitbild zu entwickeln, nach dem dann alle Prozesse auszurichten wären. Dass ausgerechnet dafür die Mittel auf Eis gelegt werden, ist in unseren Augen kein gutes Signal.
Wir haben bei der Einbringung des Haushalts gesehen, wie viel schieflaufen kann. Hätten wir eine klare Agenda, die gesamtgesellschaftlich getragen ist, hätten wir schon mal eine andere Ausgangslage.
In den letzten Jahren aber machen wir immer mehr die Erfahrung, dass wir vom Hölzchen aufs Stöckchen springen ohne klare Vorgaben.
Auch wenn eine knappe Haushaltslage zweifellos eine schwierige Ausgangssituation darstellt, kann genau dies auch eine Chance darstellen. Das kann ich Ihnen jedenfalls aus meinen 30 Jahren Berufserfahrung als Filmproduktionsleiterin bestätigen. Wenn man nicht das Geld hat, das man sich für Projekte errechnet hat, hat man nur eine Chance: man muss kreative Lösungen finden und man muss vor allem alle Beteiligten einbinden und ehrlich die Karten auf den Tisch legen. Unter diesen Voraussetzungen können wunderbare und auch sehr erfolgreiche Projekte zustande kommen.
Nichts anderes ist ein kommunaler Haushalt.
Ehrlichkeit und Transparenz gehören an den Anfang jeglichen Handelns.
Vielleicht klappts ja beim nächsten Mal.
Jedenfalls werden wir diesen Haushalt aus besagten Gründen ablehnen.